«Jacob Baltzli» – Frei erfunden, aber keineswegs zufällig ähnlich mit tatsächlichen Begebenheiten

Das Ehepaar Ueli Baltzli und Katharina Gosteli hat am 28. Mai 1632 in Luterbach in der reformierten Kirchgemeinde Vechigen geheiratet. Wahrscheinlich hätten sie es sich nicht träumen lassen, dass einige ihrer Kinder sich später von der Berner Kirche abwenden und den täuferischen Glauben annehmen.

Einige Jahre später zieht die junge Familie nach Bolligen in die unmittelbare Nachbarschaft der Hauptstadt. Dort wohnen sie im Haus «Zum Scherme» bzw. beim «Badhus». In der Folge bekleidet Ueli Baltzli das Amt eines Chorrichters, was auf sein Ansehen und sein Engagement in Kirche und Gesellschaft schliessen lässt. Auf welche Weise es geschehen ist, dass einige von Chorrichter Ueli Baltzlis Kindern sich dem Täufertum annähern, wissen wir nicht. Jedenfalls werden Ende 1664 er und sein Kollege im Chorgericht, Durs Rohrer von Ittigen, zur Rede gestellt wegen des nonkonformen Verhaltens ihrer Kinder. Wahrscheinlich war es bereits ein Ausdruck täuferischen Glaubens, dass sich Niklaus Baltzli und Christina Rohrer nicht an die reformierten Sitten gehalten hatten bei der Anbahnung ihrer Ehe. Zwar schliessen sie ihren Ehebund kurz darauf am 9. Dezember 1664. Sie lassen ihre ersten Kinder auch gehorsam reformiert taufen. Aber um 1670 dürfte klar geworden sein, dass die beiden mittlerweile täuferisch geworden sind. Kurz darauf wird der 30jährige Niklaus Baltzli denn auch im Berner Tittlinger Turm inhaftiert. Da er zur Kategorie der jungen, starken und gesunden Männer zählt, wird er als «vermüglich und tüchtig zur Ruderarbeit […] uff die Galleren zu verschicken destinirt». Er soll darum mit anderen zusammen «by erster Gelegenheit» ans Meer verfrachtet werden.

Zur sofortigen Ausführung gelangt diese Anordnung nur darum nicht, weil gleichzeitig ein Angebot des Rappoltsweiler Kaufmanns Adolphe Schmidt auf dem Tisch liegt, die gefangenen Täufer zu übernehmen und in seinen Bergwerken zu beschäftigen. Was mit Niklaus in der Folge geschieht, ist unklar. Aber auch Niklaus’ jüngerer Bruder Enoch – vielleicht auch Ueli, ein anderer Bruder - schliessen sich den Täufern an. Auch Enoch kann sich in der Heimat aber nicht halten, ab den 1680er Jahren taucht er im elsässischen Ohnenheim auf. Er ist verheiratet mit einer Tochter des Baselbieter Täufers Fridli Hersberger.

Interessanterweise scheint es Niklaus Baltzli gelungen zu sein, trotz seines täuferischen Glaubens gleichwohl wieder in der Bolliger Kirchgemeinde Fuss zu fassen, wenn zwar nun nicht mehr im Dorfzentrum, sondern etwas abseits. Für 1686 ist jedenfalls bezeugt, dass er auf dem nun ihm gehörenden Hof Riselried bzw. dem «Wysshaus» oberhalb von Habstetten lebt.

Später muss er dem Druck weichen und zieht wahrscheinlich weg, möglicherweise ins Elsass wie sein Bruder Enoch. 1692 wird der Hof Riselried versteigert, weil sein täuferischer Besitzer - sicher nicht ganz freiwillig - «auss dem land gewichen» sei. Als Besitzer des konfiszierten Hofes wird nun allerdings bereits nicht mehr Niklaus, sondern Ueli Baltzli genannt: entweder ist dies sein Bruder oder bereits sein Sohn.

Fakt ist, dass in der Folge sowohl ein Ueli als auch ein Niklaus Baltzli in Jebsheim auftauchen, einem Dorf in der elsässischen Rheinebene.

Aufgrund der kriegerischen Ereignisse im Elsass rund um 1700 kann es allerdings nicht verwundern, dass auch Mitglieder der Baltzli-Familie in ihrer Heimat Unterschlupf suchen.

Prompt wird in Bern ein Täufer Niklaus Baltzli erneut verhaftet. Er gehört zu derjenigen Gruppe von bernischen Täuferinnen und Täufern, die 1710 auf ewig nach Pennsylvania deportiert werden sollen. Als der rheinabwärts fahrende Treck mit an Ketten angeschmiedeten Täufern aber bei Nimwegen die holländische Grenze überquert, lassen die dortigen Behörden sämtliche Gefangenen frei.

Aber auch von Ueli Baltzli, dem Sohn des Täufers Niklaus Baltzli sen. wissen wir, dass er auf dem solothurnischen Bucheggberg Zuflucht gefunden hat. 1742 erhält sein wieder in Bolligen lebender Sohn Niklaus von Bern die Bewilligung, den gebrechlich gewordenen Vater zusammen mit seiner zweiten Frau unter Bürgschaft bei sich aufzunehmen.

Die Nachkommen der Berner Täuferfamilie Baltzli sind mittlerweile zahlreich geworden, in Frankreich hat sich der Name unterdessen in «Pelsy» verwandelt und noch immer gibt es zahlreiche Mitglieder in täuferisch-mennonitischen Kirchgemeinden, die diesen Namen tragen.

Die Berner Burgerbibliothek besitzt noch heute eine alte täuferische Froschauerbibel aus dem Jahr 1531 mit einem Besitzervermerk «Niclaus Baltzly 1724 Jahrs».

In der Tat: Ein täuferischer «Jacob Baltzli» taucht in dieser kurzen Zusammenstellung effektiv nicht auf. Diese Person ist frei erfunden. Aber «etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten», wie es im Abspann so vieler Spielfilme heisst, sind beim Jacob Baltzli des Berner Stationenweges durchaus nicht zufällig, sondern ganz und gar beabsichtigt.

Hanspeter Jecker